Gleisbildstellwerke
Mit dem mechanischen Einheitsstellwerk und den elektromechanischen Mehrreihenhebelwerk war die Entwicklung herkömmlicher
Stellwerke weitestgehend abgeschlossen. Weitere Verbesserungen konnten immer nur unter Berücksichtigung der mechanischen
Verschlußregister erfolgen. Ein Gleisbildstellwerk, das auf der Bedieneinrichtung ein mehr oder weniger wirklichkeitsgetreues
Gleisbild zeigt, war daher wegen der Konstruktion des Registers unter- oder innerhalb des Bedientisches nur sehr schwierig
umzusetzen. Solche Tischhebelwerke wurden daher meist für den Ablaufbetrieb gebaut, da hier üblicherweise keine Fahrstraßen
existieren, die ein Verschlußregister voraussetzen.
In anderen Ländern wurden verschiedene "Zwischenbauformen" (aus Deutscher Sicht) entwickelt, die ganz oder teilweise auf das
mechanische Verschlußregister verzichteten und stattdessen die Sicherung durch elektrische Schaltelemente, Relais, übernommen
wurde. In Frankreich wurden beispielsweise verschiedene Fahrstraßenstellwerke gebaut, bei denen der Bedientisch mit seinen
Hebeln zwar wie ein elektromechanisches Stellwerk aussah, die Hebel aber keine einzelnen Weichen, sondern ganze Gruppen
(nämlich die Weichen einer Fahrstraße) ansteuerte. In Verbindung mit Gleisfreimeldeanlagen und Schautafeln wurde so ein
Bedienkomfort ähnlich einem "richtigen" Gleisbildstellwerk erreicht. Dadurch wurden Gleisbildstellwerke in verstärktem Maß
erst deutlich später als in Deutschland in Betrieb genommen.
Das Gleisbildstellwerk verzichtet vollständig auf mechanische Abhängigkeiten und bildet sämtliche Verschlüsse und
Festlegungen mit Relais aus. Viele Signaltechniker dürften der neuen Technik zunächst mit Vorbehalt gegenüber gestanden
haben, da man bei der Relaistechnik nicht sicher sein konnte, ob sie wirklich fehlerfrei und "sicher" war. Konnte man beim
mechanischen Verschlußregister "auf einen Blick" feststellen, ob es richtig ausgeführt war, waren beim Relaisstellwerk
andere, aufwendigere Prüfmethoden notwendig. Eine ähnliche Problematik ergibt sich heute wieder: während das Relaisstellwerk
als sicher und einfach handhabbar gilt, ist man beim Elektronischen Stellwerk darauf angewiesen, die Rechner und Software
noch relativ aufwendig auf Fehlerfreiheit prüfen zu müssen.
Die Entwicklung des Gleisbildstellwerks beginnt etwa ab 1940. Das von den VES zuvor entwickelte Patronenstellwerk (die
Schalter für Weichen und Signale waren in runden Patronen untergebracht, die in den Stelltisch gesteckt werden konnten) kam
nicht über Versuchsaufbauten hinaus. Pintsch und VES entwickelten dann die ersten Gleisbildstellwerke für Hermsdorf und
Birkenwerder, durch die Kriegseinwirkungen kam die Entwicklung allerdings zum Erliegen. Nach dem Krieg übernahm Siemens die
weitere Produktion und installierte 1948 ein als Dr I (bzw. Dr 1) bezeichnetes Stellwerk in Düsseldorf-Derendorf. Bei dieser
Stellwerksbauform waren noch etwa 60-70% der Anlage nicht in Gruppen geschaltet, sondern frei ("fliegend") verdrahtet.
Dementsprechend groß war der Aufwand, der für einen Stellwerksumbau zu betreiben war. Bei den Stellwerken der Bauart Dr S,
zuerst als Dr II bezeichnet, konnte dieser Anteil bereits auf etwa 30-40%, bei den Spurplanstellwerken auf 5% gesenkt werden.
Auch Lorenz stieg in die Produktion von Gleisbildstellwerken ein, deren erste Bauform wurde als Dr III bezeichnet.
An die Relais werden bestimmte Sicherheitsanforderungen gestellt, so daß nicht ein beliebiges Kleinrelais eingesetzt werden
kann. Beispielsweise besteht die Möglichkeit, daß Relaiskontakte durch den (kleinen) Funkenflug beim Schaltvorgang
"verkleben", d.h. die Kontakte "ein" bleiben aneinander haften, obwohl das Relais "aus" ist. Man begegnet diesem Problem auf
zwei Weisen:
N-Relais (N=Non-controlled) sind so aufgebaut, daß z.B. aufgrund des Gewichts keine Verklebung möglich ist (Anker
zieht die Kontakte nach unten). Diese Relais müssen daher nicht überwacht werden.
C-Relais (C=Controlled) sind so aufgebaut, daß die Kontakte verkleben können. Ein verklebter Kontakt sorgt aber dafür,
daß die anderen Kontakte ebenfalls nicht öffnen können. Dies läßt sich mit einer Überwachungsschaltung feststellen.
In Deutschland werden ausschließlich (vom EZMG-Stellwerk abgesehen) C-Relais eingesetzt. Diese Relais werden in Gruppen
zusammengefaßt, die dann als eine Einheit gelten und bestimmte Aufgaben erfüllen. Die wichtigsten Gruppen sind Weichen- und
Signalgruppen. Die Gruppen sind teilweise programmierbar, so daß sie durch bestimmte Stecker andere Eigenschaften erhalten.
Ein Beispiel hierfür sind Zwieschutzweichen, bei denen üblicherweise auf den Flankenschutz in einer Richtung verzichtet wird,
wenn zwei Fahrstraßen gleichzeitig von der Weichengruppe den Flankenschutz anfordern.
Beim Spurplanstellwerk als "Krönung" der Entwicklung finden sich nahezu alle Teile der Außenanlage in den Gruppen
gespiegelt wieder. Die Gruppen sind untereinander mit sogenannten Spurkabeln verbunden. Der Umbau einer solchen Anlage kann
gegenüber dem festverdrahteten Fahrstraßenstellwerk schnell und einfach erfolgen. Soll beispielsweise eine weitere Weiche
eingebaut werden, genügt es (vereinfacht), an der entsprechenden Stelle die zusätzliche Weichengruppe im Relaisraum
einzusetzen.
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